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Baltikum 2012 - Einsam oder Verlassen? Oder: Im Reich des Rasenmähers (September 2012)

Schon 2010 wollten wir dem Baltikum einen Besuch abstatten. Aber unser Urlaub lag im späten September, also wurde dieses Reiseziel witterungsbedingt auf der Liste ein wenig nach hinten geschoben. Ende August 2012 sollte es dann klappen.

Warum ins Baltikum? Irgendwie klang das Ziel nach „Osten“ – sprich etwas „unzivilisierter“ und ursprünglicher. Die Realität sieht nur noch ein wenig und nur im Hinterland so aus. OK – wir waren von Albanien „verwöhnt“ – aber die europäische Infrastruktur hat die baltischen Staaten schon lange erreicht. Dies hat auch seine Vorteile, denn im Gegensatz zum manch deutschen Touristenort findet man hier häufig auch am frühen Abend noch eine geöffnete Tourimusinformation zur Zimmervermittlung (das Wetter war zum Zelten nicht immer optimal – so wichen wir öfter „als üblich“ in eine feste Bleibe aus) und die mehrsprachige Beschilderung selbst kleiner Sehenswürdigkeiten – oft in der Landessprache, russisch, englisch und deutsch – ist echt vorbildlich.

Jedes Reiseziel hat so seine Besonderheiten, eins fiel uns besonders auf Im Baltikum stellte sich beim Annähern an Grundstücke und Gebäude oftmals die Frage, ob „einsam“ oder „verlassen“. Ein untrügliches Indiz für „einsam“ statt „verlassen“ war ein frisch gemähter Rasen. In unserem zweiten Leben werden wir Rasenmäherhändler im Baltikum – denn hierin sind alle drei Länder Weltmeister.

Das Baltikum verzauberte uns zusätzlich mit vielen einsamen Wäldern, Seen und Stränden, häufig malerischen Hügellandschaften, Unmengen von Pilzen und Blaubeeren, Schotterpisten und knackigen legal befahrbaren Waldwegen, interessanten (baufälligen) Gebäuden, gespenstischen Hinterlassenschaften der UdSSR und gastfreundlichen Menschen.
Für die Vorbereitung haben sich der Reiseführer "Baltische Länder" aus dem Michael Müller Verlag und die Übersichtskarte "baltikum" (1: 600 000) aus dem Reise know how Verlag bewährt. Vor Ort haben wir uns – als Freunde detaillierter Papierkarten – die Auto - Atlanten "Lietuvos autokeliu atlasas" und "Latvijas autocelu atlants" je im Maßstab 1 : 200.000 gegönnt und haben damit die ideale Ergänzung zu unserem Garmin gefunden.
Link zur groben Luftlinien - Route erstellt mit Motoplaner.de
Hier unser kurzer Bericht von 20 Tagen und rund 4 Tkm durch das Baltikum.
Für die Anreise wählten wir die bequeme Variante per Fähre. Von Kiel nach Klaipeda schippert man in rund 23 Stunden nach Littauen und verliert noch eine Stunde durch die Zeitumstellung. Die DFDS Seaways ist recht komfortabel ausgestattet und dank brauchbarem Wetter konnte wir auf dem Sonnendeck bei Rotwein, Baguette und Käse den hereinbrechenden Abend genießen und die hüpfenden Hormone einer jugendlichen Fussballmanschaft – es fehlt anzahlmäßig eindeutig ein Pendant in Form eines Mädchenchors – beobachten. Die Übernachtung in der Innenkabine war eine gute Wahl und so rollten wir gegen Mittag ausgeruht in Klaipeda von Bord.
In der Stadt versorgten wir uns als erstes mit der littauischen Währung „Lits“, wobei es dank fester Verknüpfung für einen Euro im Allgemeinen 3,45 LTL gibt. Beim Tauschen auf der Bank muss man wie beim Straßenverkehrsamt eine Nummer ziehen, damit ist Ordnung gewahrt, aber es dauert trotzdem recht lange. Wir durchstreifen die Altstadt mit ihren Kunstobjekten und den Resten der Befestigungsanlage und statten auch dem Bahnhof mit Denkmaldampflok einen Besuch ab. In der Nähe des alten Marktes finden wir eine wunderbare Bäckerei. Hier werden nur Hefeteilchen und Getränke verkauft. Der Andrang der Einheimischen ist ein gutes Indiz für Qualität – wir sind begeistert und genießen das Treiben. Eine kleine Attraktion in der Nähe des Fußgängerfährhafens zur Nehrung ist eine handbetriebene Drehbrücke.
Für die erste Nacht haben wir uns auf der Kurischen Nehrung in der Villa Flora in Juodkrante einquartiert. Das Holzhaus im schönen Ambiente entspricht den Empfehlungen des Reiseführers. Wir nutzen die Zeit um bis zum Ende des litauischen Teils der Nehrung mit der großen Wanderdüne in Nida zu fahren. Da scharrt der Terrano mit den Hufen, aber logischerweise ist die Einfahrt nicht möglich. Die Dünenlandschaft steht unter Naturschutz und erinnert ein wenig an eine „richtige“ Wüste. Das sich hier die Natur so relativ ungestört entwickeln konnte, ist sicher auch der nicht weit entfernten Grenze zur russischen Enklave um Kaliningrad zu verdanken.
Eine ganz andere „Wüste“ stellt die Kormoran – Kolonie dar. Die Hinterlassenschaften der Vögel sind echt aggressiv und haben von den Schlafbäumen nur noch die Gerippe stehen lassen. Im fahlen Licht der Dämmerung wirkt die Szenerie ein wenig geisterhaft. Geisterhaft geht es auch am nächsten Tag weiter. Die Balten sind wahre Holzschnitzkünstler und in Juodkrante startet der Skulpturenweg am Hexenpark. Die überlebensgroßen Figuren sind weitläufig im Dünenwald verstreut. Zu jeder Figur gibt es eine Geschichte, die bei Interesse auch in einer deutschen Broschüre nachgelesen werden kann. Wir suchen und finden noch kurz den Cache GC16RMH um dann dem weitläufigen Strand einen Besuch abzustatten. Ein paar harte Einheimische tummeln sich am und im Wasser, für uns als bekennende Warmduscher ist die Variante 2 keine Option….
Mit der Fähre schippern wir zurück nach Klaipeda. Wir decken uns in der „Akropolis“ mit Lebensmitteln ein. In den Gängen und Shops des riesigen Einkaufstempels wirken wir etwas deplaziert, denn der „normale Litauer“ wandelt hier aufgemotzt wie zum Sonntagsausflug, wir werden in unseren Urlaubsoutfit (nein – nicht mit geblümten Shorts und Unterhemd) aber trotzdem zuvorkommend bedient…..
Über Land fahren wir in Richtung Zemaitija Nationalpark und kommen endlich in den Genuss der baltischen Schotterstraßen. Die Eisenbahn spielt hier vor allem für den Kesselwagenverkehr eine Rolle, aber die klassischen Taigatrommeln sind hier durch moderne Siemensloks abgelöst. In der Nähe der Nationalparkverwaltung finden wir eine feste Behausung. Nach einer Kaffeepause zieht es uns zu einer der Attraktionen des Parks – ein ehemaliger Atombunker „der Russen“ wartet auf Erkundung. Als touristische Attraktion ist der Bunker heute ein gut ausgestattetes Museum. Kurz nachdem die letzte Führung des Tages gestartet war, treffen wir am Eingang ein. Sich an die litauische Gruppe ranzuhängen lohnt sich für uns nicht, aber auf unsere Bitte dürfen wir das Areal selbst erkunden. Unter der Erde erwartete uns eine Mischung aus der alten Technik, nachgestellten Szenen und akustischer Untermalung durch Originaltöne. Es geht drei Etagen nach unten und alleine im schummrigen Licht – aber im „abgesicherten Modus“ eines Museums – rumzustromern, ist schon cool. Die Bunker für die eigentliche Atomraketenstellung, die vor 25 Jahren noch auf Deutschland gerichtet waren, beängstigen durch ihre Größe und wir sind froh, dass zumindest diese Zeiten des Kalten Krieges vorbei sind. Dass der Nationalpark mehr bietet als alte Militärgelände, zeigt sich beim Wandern durch die einsamen Wälder vorbei an Quellen und kleinen und großen Seen.
In Siliaulias wollen wir das im Reiseführer beschriebene Katzenmuseum besuchen. An der angegeben Adresse finden wir nichts – schade. Direkt am Bahnhof soll sich ein Eisenbahnmuseum befinden, hm – auch nichts. Da wir aber vorsorglich dem Schienenstrang folgen, kommen wir zum einheimischen Eisenbahnausbesserungswerk. Hinter dem Werkszaun warten Dampflokomotiven und ein Triebwagen auf die Besichtigung. Wir springen aus dem Auto und fragen den Wachmann, ob wir hinein dürfen. Die sprachliche Hürde verhindert eine echte Konversation, aber als wir ihm unsere Kamera zeigen lässt er uns freundlich hinein, und nicht nur das – er öffnet uns sogar extra noch den Triebwagen. Das stelle man sich mal in Deutschland vor – zwei ausländische Touris in halblangen Hosen wollen ohne Genehmigung zum Foto machen auf das Werkgelände einer größeren Firma….
Nördlich von Siliaulias kann man Kultur, oder besser gesagt Religion machen. Der „Berg der Kreuze“ ist in jedem Reiseführer zu finden und wird touristisch gut erschlossen von Reisebussen besucht, wird aber in der Stadt kaum beworben. Zu Sowjetzeiten als ein Ort des stillen Widerstands ins Leben gerufen, hat sich auch heute noch das Aufstellen von Kreuzen als Tradition bewahrt. So stehen Kreuze von Einheimischen neben Kreuzen von (Pilger-) Gruppen aus aller Welt.
Eine Herberge in Lettland im rustikalen Blockbohlenhaus an dem Kuldiga - Wasserfall (eher breit als hoch) ist für die nächsten Tage unsere Heimat. Komfortabel mit Sauna und Küche ausgerüstet, fehlt es an nichts. Die touristischen Informationen sind dank verschiedener Faltblätter und Landkarten bestens aufbereitet. Wir machen uns auf die Suche nach der auf den Karten verzeichneten künstlichen Riezupe Sandsteinhöhle. Etwas übereifrig richten wir uns allein nach den GPS Koordinaten und stochern erfolglos - wenn auch sehr interessant - 4x4 und per Pedes durch den Wald. Bei der Weiterfahrt stellen wir dann fest, dass der offizielle Parkplatz nur wenige Meter weiter an der Hauptpiste liegt
Die „White Spring“ mit zugehörigem Cache GC1PDD7 finden wir als „fast drive inn“ deutlich einfacher. Aus dem von weiten etwas „El Schlubbro“ wirkenden Quellbecken blubbert glasklares Wasser, aber in den Treibsand möchte man nicht unbedingt reinfallen.
Bei Padure habe ich aus den Luftbildern von Google die Reste einer Feldbahn vermutet, aber das Gelände ist eher privattouristisch erschlossen und gut verschlossen. An Zielen und schönen Wegen mangelt es aber in der Gegend nicht, also weiter zu einer laut Karte nordöstlich von Padure liegenden Höhle. Nach ein paar einsamen Kilometern gelangen wir (mal wieder) auf ein mitten im Nichts liegenden Privatgelände. Die junge Frau mit Baby ruft auf unsere Fragen ihren Mann, der ein wenig englisch spricht. In Badeschlappen voran führt er uns erst runter zum Fluss und dann zu der „Mini - Höhle“. Ohne ihn hätten wir die Stelle wohl nie gefunden und auch er (und sein Hund) freuen sich über den kleinen Spaziergang. Entlang der Venta schaukeln wir zurück zu unserer Herberge. Unser Terrano klappert auch wieder freundlich vor sich hin – eine vordere Stabibuchse hat sich mal wieder in Wohlgefallen aufgelöst.
Beim abendlichen Stadtbummel merken wir, das Kuldiga – und insbesondere die Brücke an den Wasserfällen – das Zentrum der frisch Vermählten ist. Das Bild an den Ventas Rumbas scheint zum Pflichtprogramm zu gehören, da muss die Braut schon mal im mondänen Kleid über die teils rutschigen Steine hüpfen.
Auf kleinen Wegen und dann immer an der Küste lang führt uns unser Weg nach Ventspils Die Stadt ist bestens erschlossen und bietet vor allem Familien mit Kindern viele Möglichkeiten. Wir machen einen ausgiebigen Bummel durch die leider verregnete Stadt, wollen dann aber doch lieber außerhalb nächtigen. Auf dem Plan steht wildes Zelten am Meer, aber die Zeiten sind hier scheinbar auch vorbei.
Wir erkunden zwar nur jede erdenkliche Gelegenheit zum Strand, aber dank Verbot - und da wir natürlich nie etwas Unerlaubtes machen würden – tuckern wir weiter. Die Strecke mutiert vom gut ausgebauten Waldweg über hüglige Panzerspur zum fast Enduro – Singletrack. Die echte Schlammpassage lassen wir aus und mal wieder sind wir froh, dass unser Nissan zur eher niedrigen Fraktion gehört, sonst hätten wir die nicht vorhandene Kettensäge herausholen müssen. So übernachten wir in Mikeltornis auf einem richtigen Zeltplatz. Unsere Zeltnachbarn sind etwas spartanischer mit dem Fahrrad von Riga nach Klaipeda unterwegs, da helfen wir angesichts der Feuchtigkeit gerne mit solch fürs Camping immens wichtigen Erfindungen wie der Küchenrolle aus. Es ist Wochenende und die einheimischen Hüttenbewohner schnattern wohl fast bis zum Morgengrauen – macht nichts, denn wir sind ausreichend müde vom „anstrengenden Urlaub“
Am nächsten Tag gehört den „Lost Place Caches“. Nummer eins liegt nur wenige Kilometer nördlich an der Küste. „Boat in the woods“ (GC1V3MF) klingt interessant und entpuppt sich als ein verlassener militärischer Stützpunkt mit kleinem Übungsgelände. Die Natur hat schon kräftig an dem bröckligen Stein genagt, nur noch ein paar Gebäudereste mit kleinem Denkmal zeugen von der Vergangenheit der sowjetischen Grenztruppen. „Dank“ Schranke finden wir keinen direkten Zugang zum Meer, erst einige Kilometer nördlich klappt es. Weit und breit keine Menschenseele – da weiß man gar nicht wo man sein Handtuch ausrollen sollte. Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang, aber vereinzelte Müllhaufen und Fahrzeugspuren zeigen dass es wohl doch keine Erstbegehung ist.
Dann soll es auf dem direkten Weg zum Cache am Sternenteleskop gehen. Wir überqueren die Hauptsraße P 124, prüfen kurz die Tiefe der Furt und verschwinden im Wald. Für die kommenden Stunden sind wir – bis auf ein paar Pilzesucher mit Fässern als Sammelbehältnis – allein. Heidelbeeren, Preiselbeeren, Steinpilze in besten Größen für das Pilzberaterbuch locken am Wegesrand. Unser Garmin begeistern und navigiert uns anstandslos durch die fast unberührte Wildnis. Ein paar tiefere Schlammstellen umfahren wir, in diesem vermutlich ehemaligen Militärgelände gibt es fast immer einen Ausweichroute. Keine 2 km vor dem Ziel GC1DNNJ „Pirbenes lokators“ müssen wir unsere Ehrfurcht vorm Garmin ein wenig bremsen – denn statt der versprochenen Flussüberfahrt warten die Überreste einer zerstörten Holzbrücke. Cameltrophy haben wir nicht gebucht, also werden aus den 2 km gefühlte fünfzig. Das liebliche Offroadgelände wird von einem Fluss umschlossen und so gibt es nur wenig Alternativroute. Wir haben Urlaub, der Tank ist voll und Proviant haben wir genug – so genießen wir die Tour durch den Wald. Irgendwann stoßen wir wieder auf Treckerspuren und irgendwann sieht es auch zivilisierter aus, sprich der Wald öffnet sich zu Lichtung und Weideland. Das letzte Stück raus aus dem Gelände in der Nähe von Ance ist anspruchsvoll und es hilft nur eine Portion optimistischer Schwung, denn die Spuren sind „Traktorenfreundlich“ und entsprechend tief. Rein wären wir hier wohl ohne Zwang nicht gefahren – aber so müssen wir die härtere Tour wählen. Auf Piste/ Straße und kurzer Piste fahren wir zur anderen Seite der Überreste der Brücke – der Kreis ist geschlossen.
Den Cache am Teleskop heben wir dann problemlos, die Tagesmission ist erfüllt.
Das Wetter meint es mal wieder nicht ganz so gut mit uns – habe ich schon mal erwähnt das ein 4x4 gegenüber einer Enduro auch Vorteile bietet – und so crusien wir auf guten Gravel Roads gen Dundaga. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen – hier wartet der Geburtsort des „Crocodile Dundee“ (zumindest gibt es ein entsprechendes Denkmal) und ein ehrwürdiger Schloss zur Übernachtung auf uns. Von Außen – und noch dazu bei Regen – wirkt der Charme des Gebäudes deutlich verblasst – aber im Inneren überraschen uns wunderbar komfortable und renovierte Zimmer. Die erste Herausforderung ist die Burg als Hotel zu erkennen, die zweite sich mit der Babuschka des Hauses zu verständigen. Aber mit einem Kauderwelsch aus lettisch/ russisch/ deutsch und mit der Hilfe eines polnischen Gastes kommen wir gut klar, trollen uns noch für ein Stündchen und ziehen dann in unseren Palast ein. Normalerweise soll sich außer der Musikschule in dem Gebäude noch die „grüne Jungfrau“ aufhalten, aber (glücklicherweise?) besucht sie uns nicht in der Nacht.
Auf dem Weg in Richtung Riga machen wir noch Stopp an einem Torfgebiet. Hier ist es fast wie in „good old Germany“, denn eine ordentliche Schranke und neue Verbotsschilder versperren den eigentlichen Zugang. Da auch niemand zu sehen ist, belassen wir es bei ein paar Fotos von der Straße. Auch zur Bahn bei Oziolai gelangen wir nicht, der entsprechende Weg war gerade im Bau und da unser Ziel die Hauptstadt war, haben wir auch nicht mehr lange rumprobiert.
Riga empfängt uns mit dunklen Wolken. Wir finden einen Parkplatz in der Nähe des Hauptbahnhofes, bummeln ein wenig durch die Stadt und finden eine Bleibe im Zentrum im Motel Ala. Riga ist eine sehr schöne Hauptstadt, hat viele historische Gebäude, Museen, verschiedenste Restaurants und Kneipen, trendige Clubs und Einkaufszentren und bietet alles was der Stadttourist sucht. Uns zieht es aber weiter. Vorher lassen wir beim örtlichen Nissanhändler erstmal unser Auto waschen – naja, eigentlich nur für kleines Geld (rund 40 € für alles) die beiden Stabibuchsen vorne wechseln.
Sigulda gilt als ein Tor zum Gauja Nationalpark. Im Sigulda - Hotel werden wir an der Rezeption von einer jungen Lettin mit sächsischem Akzent begrüßt. Wenige Kilometer entfernt soll sich der Cache GC1GN4X „Wooden Serpent“ befinden. Den finden wir zwar trotz intensiver Suche in der einbrechenden Dämmerung nicht mehr, andererseits hätten wir ohne die Koordinate niemals diese Reste einer hölzernen Bobbahn gefunden.
Zur Verbesserung unserer persönlichen CO2 – Bilanz (oder so ähnlich) legen wir einen Wandertag ein. Per Seilbahn gondeln wir zum Landgut und zur Burgruine Krimulda, laufen vorbei an der Gutmannshöhle (eher Grotte) und einem verlassenen Ferienobjekt zur Kantina Turaida. In dem SB – Restaurant wird die Versorgung der Touristen in der UdSSR erklärt und eine gehörige Portion Ostcharme liegt in der Luft. Das Essen ist gut und preiswert. Die Burg Turaida gilt als ein touristisches Highlight in Lettland und wird großzügig von Reisegruppen angefahren. Die Anlage ist ausgesprochen gepflegt und Personal in historischen Gewändern passt auf die Besucher auf. Neben der eigentlichen Burg warten der Park mit seinen Skulpturen und mehrere Nebengebäude auf die Erkundung. Wir schließen den Kreis der Wanderung und sind am Abend rechtschaffend müde. In einer der örtlichen Pizzerien können wir uns stärken und die einheimische Jugend und die Touristen ein wenig beobachten – und auch wir werden belustigt beobachtet, als wir bei DEM einheimischen Hit im Musikfernsehen unsere Freude zeigen …
Nach dem Besuch der Höhlenwohnungen, des Tierparks (sehr weitläufig, aber nicht immer mit optimaler Haltung der Tiere) verlassen wir den Gauja NP bei Ligatne über die hölzerne Autofähre.

Der nächste LP – Cache GC1V45B „Veckarku Pils“ in einem verlassenen Schloss ist unser Ziel. Das Umfeld ist absolut romantisch, das Innere des Schloss absolut verfallen und spannend. Trotz intensiver Suche werden wir nicht fündig, aber ohne die Koordinaten hätten wir diesen Ort nie angesteuert.

Schön durch die Pampa schleichen wir uns über die grüne Grenze nach Estland. Die Sandhöhle (die sogar wirklich eine ist) mit dem nicht weit entfernt liegenden Cache GCW7JP „Koorküla“ ist der letzte Zwischenstopp vor der Suche nach einem Übernachtungsplatz. Ein kleines Hinweisschild am Pistenrand in rund 5 km Entfernung führt uns zu einem wunderbaren einsamen Übernachtungsplatz am glasklaren See Valgjärve. Die Ausstattung ist mit kleiner Wiese, Trockenklo, Feuerstelle, abgelagertem vorbereitetem Feuerholz und ganz viel Einsamkeit perfekt für uns. Geruhsam lassen wir diesen perfekten Urlaubtag ausklingen.
Auch die Ziele des nächsten Tages haben wir auf Basis von Tupperdosen vor ausgewählt. Im Wald an einer alten Schmalspurbrücke heben wir den GC1DWCN „Valka Rujena“.
In Valka selbst – einer ehemals geteilten Stadt zwischen Estland und Lettland - kaufen wir ein wenig mit Euro ein (Estland hat als erster der baltischen Staaten schon die Gemeinschaftswährung) und besuchen einen weiteren Bahnhof mit Dampfross.
Zurück in Lettland wird es dann richtig spannend. Mitten im Wald liegt der nächste ehemalige Atomraketenbunker, doch im Gegensatz zur Variante im Zemaitija Nationalpark ist dieser unerschlossen und nicht abgeschlossen. Hier liegt der Cache GC1YHZF „Crisis de Octobre“. Wir finden die Koordinaten und durchstromern ein wenig die Gebäude. Doch richtig tief trauern wir uns dann doch nicht in die Unterwelt, denn wir sind ja nur "zwei normale Touris" ohne weitere Ausrüstung. Angeblich befinden sich in den tieferen Etagen noch fast komplett die ehemaligen Anlagen, aber angesichts des maroden Zustandes siegt die Vernunft. Aber auch was wir so sehen, reicht um große Augen zu kriegen.
Nicht weit entfernt wartet das nächste Ziel. Schön über Pisten landen wir beim „Forgotten Temple“. Die ehemalige Kirche scheint ab und zu noch besucht zu werden, liegt aber abgeschieden mitten im Wald. Das Heben des GC1Z602 sparen wir uns als sicherheitsorientierte Deutsche dann doch, auch wenn wir unterm Dach auf der brüchigen Leiter schon fast in Sichtweite sind.
Nach einem kurzen Abstecher zur 750 mm Touristenbahn in Gulbene wollen wir außerhalb im Wald am See bei Kalnis (links der P36 Gulbene Richtung Rugaji) zelten. Trotz Nebensaison ist das Finden eines passenden Fleckens gar nicht so einfach, denn fast überall ist dichter Wald, ein dichter Schilfgürtel oder „Berge“. Die am besten gelegene Stelle ist mit 2 Autos schon „viel zu überlaufen“. Dank Geländewagen (denken wir zu dem Zeitpunkt noch) finden wir dann einen guten Platz auf einem Berg mit direktem Seeblick. Das mit der Einsamkeit klappt „grundsätzlich“ auch sehr gut. Nur als gegen 2 Uhr Nachts unten am Weg eine Gruppe Jugendlicher vorbei läuft, wundern wir uns schon ein wenig. Beim Umfahren des Sees haben wir kein Haus gesehenen und bis auf die rund 5 km entfernte abgewählte Zeltstelle war hier nichts. Egal – man ist halt nie ganz allein…
Am nächsten Morgen wird unser eigentlich nur leicht ausgeprägter Ausrüstungsgedanke mal wieder konterkariert – ein einheimischer Angler im Golf Variant „erklimmt“ unseren Berg, fährt kurzerhand über eine gefühlt 20 cm hohe Wurzel (OK – da wundert er sich auch) um dann sein Schlauchboot auszupacken. Sollen wir auch auf einen Renault Kangoo umsteigen?
Die nächste Ruine – ein ehemaliges Sanatorium – steuern wir durch den Cache GC21CW3 „Marcizenas Muzias Pils“ an. Wir kommen mit einem netten älteren Einheimischen ins Gespräch, der sich wahnsinnig über unser Interesse freut. Ab liebsten würde er uns gleich mit zu sich nach Hause oder seiner Nachbarin, die noch mehr Infos hat, nehmen, aber da wir weiter wollen und angesichts der Kauderwelschverständigung sehen wir davon ab.
Dann kommt nach einer gefühlten Ewigkeit ein Höhepunkt für jeden schmalspurigen Ferrophilen. Bei Rozupe (N 56.21.326/ E 26.16.234) befindet sich ein großes Torabbaugebiet mit Feldbahn. Es ist Wochenende, der Fuhrpark steht im Depot und nach kurzem Fragen lässt uns einer der Mitarbeiter ausgiebig durchs Gelände stromern und fotografieren. Aktive und weniger aktive Fahrzeuge stehen gut verteilt herum. Die Feldbahntechnik scheint gut genutzt und gewartet zu sein, auch wenn schon die moderne luftbereifte Konkurrenz vorhanden ist.
Für gläubige Reisende ist Aglonas Cakuli sicher wohl bekannt. Bis zu eine halbe Millionen Pilger fallen hier zu Maria Himmelfahrt ein. Das weitläufige Gelände der großzügigen Wallfahrtskirche und die aus dem Inneren per Lautsprecher übertragende Messe vermitteln eine andächtige Stimmung. Wir kommen wieder in einer Privatpension unter und schmökern uns am Abend durch das sehr deutschsprachig geprägte Gästebuch. Die Einträge und die hinterlassenden Visitenkarten sind genial – und erinnern ein wenig an DSDS auf Klassisch. Herrlich :o)
Offroadig, vorbei an Peter Lustigs Wohnwagen, zieht es uns nach Anyksciai. Auch hier statten wir der hiesigen Schmalspurbahn einen Besuch ab um uns dann an einem der umliegenden Seen eine Zeltstelle zu suchen. Einen passenden offiziellen Zeltplatz finden wir nicht (bzw. die Nachsaison ist schon am Wirken), aber dank EU – Förderung gibt es wieder einen gut ausgestatteten Minimalplatz. Unsere Nachbarn sind ein paar Einheimische, die auf Angelausflug sind. Während die „Mädels“ sich um die Kinder kümmern, wird der frisch gefangene Fisch zubreitet. Wir werden gleich mit eingeladen und wieder mal ist viel Kommunikation mit Händen und Füssen angesagt. Unsere Gastgeber wohnen nicht weit entfern in einem Häuschen und genießen hier nur ihren freien Tag. Nach dem Essen und ein paar Drinks trollen wir uns ins Zelt. Einige Zeit später, als die Herren der Schöpfung dann endgültig zu tief ins Glas geschaut haben, fahren sie nach Hause und die überwältigende Stille der Natur setzt ein.
Erst über geniale Moppedstraßen und dann möglichst viel querfeldein und teilweise kernig bewegen wir uns über den Asvejos regional Park in Richtung der litauischen Hauptstadt. Spannend ist es auch in der Nähe des Cache GC11DJ1 „Skaliskiu Cave“, der in der Nähe einer anscheinend als heiligen Ort genutzten Grotte liegt. Die Bezeichnung Cave ist allerdings mal wieder leicht übertrieben …. Ein paar Mal heißt es für uns Ende Gelände – die einspurige Stollenspur zeigt aber dass es weiter gehen könnte. Die in der Cachebeschreibung empfohlene Hängebrücke schauen wir uns natürlich auch noch an, wobei wir mal wieder feststellen müssen, dass wir für die Anfahrt zum Cache den schwierigeren, aber schöneren Weg gewählt haben.
Vilnius ist dann wieder das städtische Kontrastprogramm. Wir parken in der Nähe der Stadtinformation neben den dicken Schlitten und lassen uns eine aus unserem Reiseführer bekannter Bernardinu B-B Guesthouse vermitteln. Wir sehen scheinbar wieder etwas underdressed aus, denn die Vermittlungsgebühr fürs Zimmer wird uns freundlicherweise erlassen …. Wir genießen das städtische Leben, schlendern herum, besichtigen diverse Sehenswürdigkeiten und lassen uns beim Schlemmen gut gehen. Scheinbar ist gerade Studienbeginn, denn Unmengen von jungen Leuten durchströmen in scheinbar offizieller Mission die Altstadt.
Beim Verlassen der Stadt „nehmen wir noch schnell“ den riesigen Markt „Gariunai“, für alles was man braucht und nicht braucht, mit. Ob Pelzmütze oder Rasenmäher, Stiefel oder Schraubenschlüssel, Brot oder Blockbohlenhaus – die Auswahl ist schon erstaunlich. Hier wirkt das Publikum auch deutlich durchmischter als in der cleanen Innenstadt.
Nicht weit entfernt liegt die bekannte Burg Trakai. Auch diese ist touristisch perfekt erschlossen, aber dank Nachsaison stressfrei zu erkunden. Wieder schön auf kleinsten Wegen durchs Hinterland - die Kartenabdeckung beim Garmin ist fast immer beeindruckend – zuckeln wir weiter in Richtung Druskininkai. Kurz vor dem Ort befindet sich ein bizarres Museum. Ein ehemaliger Offizier hat die abgebauten sowjetischen Denkmale im Grutas Park gesammelt und in einem weitläufigen Areal aufgestellt. In den Anfangszeiten soll es wohl ein wenig wie eine Abart von Disneyland gewesen sein, aber heute wirkt alles sehr seriös. Hier wird auch das sehr gespaltene Verhältnis zwischen Russland und den baltische Staaten dargestellt. Der integrierte kleine Tierpark bereitet leider nicht wirklich (Tier)freude.
Druskininkai selbst ist ein klassischer Kurort. Wir nächtigen auf dem guten städtischen Zeltplatz. Nicht weit entfernt in Liskiava soll sich ein Ochsenhufabdruck in einem Stein befinden. Den können wir uns als echte Harzer (die „Roßtrappe“ lässt grüßen) natürlich nicht entgehen lassen. Die Realität ist dann im Verhältnis zur Beschreibung in der Werbung nicht ganz so imposant, dafür ist Kuh Elsa – die hier ein wenig aufpasst – eine ganz Nette. In der Kirche des Ortes sollen sich gläserne Särge befinden, aber da gerade eine längere Messe gehalten wird, müssen wir hier unverrichteter Dinge weiterziehen.
Parallel zur weißrussischen Grenze schlängeln wir uns durch den Wald in Richtung Polen. Die Wälder wollen kaum aufhören und just im Grenzgebiet sehen wir unseren ersten Elch. Noch cooler sind die „Wochenendgrundstücke“ im never never. Am besten hat uns die Stelle am See mit Foliensauna und Pseudo – WC mit Windschutz und Blick auf den See gefallen! Leider war niemand da und so konnten wir nicht in die Mietverhandlungen gehen.
In Polen haben wir in der Nähe von Olstyn mehr oder weniger erfolgreich noch ein wenig Ahnenforschung betrieben, Reste des Ostwalls besichtigt, ein klein wenig im Gelände gespielt (und bei der Flussdurchfahrt fast abgesoffen) und eine letzte Burg – die Marienburg – mit unserem Besuch beehrt.
Die Kilometer zurück gen Heimat über die Landstraßen zogen sich dann doch ein wenig hin, aber immer noch besser als öde Autobahnfahrerei. Dann hatte uns Deutschland wieder und das warten auf den nächsten Urlaub hat begonnen!
PS: Nach dem Lesen des Berichts kriegt man vielleicht den Eindruck, dass das Baltikum und unser Interesse fast nur aus Tupperdosen Ruinen und Eisenbahn bestehen. Dem ist natürlich nicht so – diese Zwischenziele haben uns einfach nur gut durch die weitläufige Natur dieser Landschaft geführt. Und was soll man schon spektakuläres zu einem Stückchen Wald oder Einsamkeit berichten….
Baltikum 2012